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Die systemische Enzymtherapie ist ein therapeutisches Verfahren, bei dem bestimmte Enzyme oral eingenommen werden, um im gesamten Körper (systemisch) zu wirken. Im Gegensatz zur Verwendung von Enzymen allein zur Unterstützung der Verdauung zielt diese Therapie darauf ab, die Enzyme nach Aufnahme ins Blut- und Gewebe-System gelangen zu lassen und dort biologische Prozesse zu beeinflussen. Insbesondere soll sie Entzündungen und deren Folgen (Schmerz, Schwellung, Funktionsstörung) positiv beeinflussen. Diese Therapieform wurde ab den 1960er Jahren in Deutschland populär und basiert teils auf traditionellen Erfahrungen und teils auf wissenschaftlichen Untersuchungen.
Systemisch bedeutet in diesem Kontext, dass die Enzyme nicht nur lokal im Darm wirken, sondern nach Resorption im Blutkreislauf zirkulieren und an Entzündungs- und Heilungsprozessen im Gewebe beteiligt sind. Hauptanwendungsgebiete sind daher entzündungsbedingte Beschwerden wie Schwellungen, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen, zum Beispiel infolge von Verletzungen oder rheumatischen Erkrankungen.
In der systemischen Enzymtherapie kommen vor allem proteolytische Enzyme (Proteasen) aus pflanzlichen und tierischen Quellen zum Einsatz. Häufig eingesetzte Enzyme sind unter anderem:
Bromelain – ein Eiweiß-spaltendes Enzym aus dem Stamm der Ananaspflanze. Es wirkt entzündungshemmend und abschwellend. Bromelain ist seit 1997 in Deutschland als Arzneimittel zur Behandlung von Schwellungszuständen nach Operationen oder Verletzungen zugelassen.
Papain – eine Protease aus dem milchigen Saft der Papaya-Frucht. Es wird traditionell bei Verdauungsbeschwerden eingesetzt, findet aber in Enzympräparaten auch zur Entzündungshemmung Verwendung.
Trypsin – ein proteolytisches Enzym aus der Bauchspeicheldrüse (tierischen Ursprungs). Trypsin wirkt entzündungshemmend und durchblutungsfördernd.
Chymotrypsin – ebenfalls ein Enzym aus der tierischen Bauchspeicheldrüse, das eiweißabbauend wirkt und oft in Kombination mit Trypsin eingesetzt wird.
Pancreatin – ein Gemisch aus Pankreasenzymen (einschließlich Proteasen wie Trypsin/Chymotrypsin sowie Amylase und Lipase). Es ähnelt dem menschlichen Verdauungsenzym-Mix und wird in Enzympräparaten teils beigefügt.
Serratiopeptidase (Serrapeptase) – eine Protease, ursprünglich aus Bakterien (assoziiert mit dem Seidenwurm), die in einigen Ländern ebenfalls systemisch gegen Entzündungen und zur Schleimlösung eingesetzt wird.
Oft wird den Enzymkombinationen auch Rutosid (Rutin) hinzugefügt – ein sekundärer Pflanzenstoff (Flavonoid) aus z.B. dem japanischen Pagodenbaum. Rutosid wirkt antioxidativ, gefäßabdichtend und durchblutungsfördernd und soll die Wirkung der Enzyme (insbesondere bei Schwellungen) ergänzen. Bekannte Enzympräparate wie Wobenzym® oder Phlogenzym® enthalten z.B. Kombinationen aus Bromelain, Trypsin und Rutosid, teils ergänzt um Papain und andere Enzyme, in magensaftresistenten Tabletten.
Nach oraler Einnahme werden die Enzyme im Dünndarm resorbiert und gelangen in den Blutkreislauf. Dort binden sie an ein Transport- und Regulatorprotein namens α-2-Makroglobulin, das im Plasma vorkommt. Durch diese Bindung verändert α-2-Makroglobulin seine Form und wird aktiviert, sodass der entstandene Enzym-α2M-Komplex in der Lage ist, überschüssige Entzündungsmediatoren (z.B. bestimmte Zytokine) zu binden und aus dem Verkehr zu ziehen. Vereinfacht gesagt wirken die Enzyme wie „Entzündungs-Staubsauger“: Sie verbinden sich mit α-2-Makroglobulin und dieser Komplex kann dann proinflammatorische Botenstoffe einfangen, welche anschließend über das retikuloendotheliale System (z.B. in der Leber) abgebaut und ausgeschieden werden. Auf diese Weise hilft die Therapie, ein gesundes Gleichgewicht zwischen entzündungsfördernden und -hemmenden Signalmolekülen wiederherzustellen.
Neben diesem zentralen Mechanismus werden weitere immunmodulatorische Effekte diskutiert. So gibt es Hinweise, dass die Enzymgabe die Bildung körpereigener Protease-Inhibitoren (Antiproteinasen) anregt und damit ein gestörtes Proteinase-Antiproteinase-Gleichgewicht bei Entzündungen verbessern kann. Außerdem wurde beobachtet, dass sich während einer Enzymtherapie die Zytokin-Muster verändern – beispielsweise können proinflammatorische Zytokine (wie Tumornekrosefaktor-α) vermindert und antientzündliche Zytokine erhöht werden. Enzyme fördern auch Abbauprozesse von Gewebstrümmern und Immunkomplexen: Proteolytische Enzyme können Ablagerungen aus Eiweiß (z.B. Fibrinansammlungen, Mikrothromben oder zirkulierende Immunkomplexe) auflösen, was Schwellungen reduziert und die Mikrozirkulation verbessert. Ein Modell besagt, dass durch diese „Aufräumarbeiten“ der Körper schneller aus der Entzündungsphase in die Heilungsphase übergehen kann.
Wichtig ist, dass systemisch verabreichte Enzyme Entzündungen nicht einfach unterdrücken, sondern vielmehr eine raschere und geordnete Entzündungsauflösung fördern. Entzündung ist grundsätzlich Teil der Heilung; proteolytische Enzyme beschleunigen diesen Ablauf und unterstützen die natürlichen Immun- und Reparaturprozesse, anstatt sie – wie z.B. klassische Entzündungshemmer (NSAR) – zu blockieren. Dadurch werden Schwellungen rascher abgebaut und Schmerzen gelindert, ohne die notwendige Abwehrreaktion komplett lahmzulegen. Insgesamt kommt es zu einer Aktivierung der Selbstheilungskräfte und einer direkten Bekämpfung der Ursache der Beschwerden (Entzündung), statt nur der Symptome.
Die Wirksamkeit der systemischen Enzymtherapie wurde in verschiedenen Bereichen untersucht, mit teils positiven Ergebnissen, aber auch inkonsistenten Befunden. Im Folgenden ein Überblick über den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Evidenz:
Entzündliche Gelenkerkrankungen (Arthrose, Rheuma): Mehrere Studien deuten an, dass proteolytische Enzymkombinationen bei Gelenkschmerzen und Arthrose vergleichbare Effekte wie nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) erzielen können. In einer randomisierten doppelblinden Studie an 150 Patienten mit Knie-Arthrose zeigte z.B. das Enzympräparat Wobenzym über 12 Wochen eine ähnliche Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung wie Diclofenac; beide waren gegenüber Placebo signifikant überlegen. Gleichzeitig traten unter dem Enzympräparat weniger Nebenwirkungen auf als unter dem NSAR. Eine Metaanalyse von 2016, welche die individuellen Patientendaten aus sechs Studien zusammenfasste (insgesamt 774 Arthrose-Patienten), bestätigte diese Ergebnisse: Die Enzymtherapie war in der Schmerzreduktion gleich wirksam wie Diclofenac, zeigte jedoch eine signifikant bessere Verträglichkeit (deutlich geringere Rate an Nebenwirkungen und Therapieabbrüchen). Auch bei anderen rheumatischen Erkrankungen gibt es Hinweise auf analgetische und antientzündliche Effekte der Enzymtherapie – einige Studien fanden z.B. Besserungen vergleichbar mit NSAIDs bei Rückenschmerzen oder rheumatoider Arthritis –, allerdings waren die Resultate nicht durchgängig konsistent. Insgesamt hält die Forschung die Anwendung bei sorgfältig ausgewählten Patienten mit entzündlich-rheumatischen Leiden für plausibel, auch wenn weitere qualitativ hochwertige Studien wünschenswert sind.
Sportmedizin, Verletzungen und postoperative Schwellungen: In der Unfall- und Sportmedizin sind Enzympräparate bereits seit langem in Gebrauch, um Schwellungen und Hämatome schneller abklingen zu lassen. Klinische Erfahrungen und Studien zeigen, dass z.B. bei Prellungen, Verstauchungen oder Muskelfaserrissen die Gabe von Bromelain und Co. die Heilung fördert: Schwellungen gehen rascher zurück und die Schmerzsymptomatik bessert sich, da der Gewebsdruck sinkt. Prof. Aloys Berg (Sportmedizin, Freiburg) betont, dass Bromelain in Studien bei Schwellungen ähnlich gut wirkt wie NSAR, jedoch ohne deren magenreizende Nebenwirkungen. Ein praktisches Beispiel findet sich in der Zahnmedizin: Nach Weisheitszahn-Operationen konnten Patienten, die Enzyme erhalten hatten, teils bereits nach 2–3 Tagen wieder schmerzfrei kauen – normalerweise dauert dies etwa 10–12 Tage. Auch in kontrollierten Studien wurde der Nutzen von Bromelain nach Zahnextraktionen bestätigt (weniger Schwellung, Schmerz und verbesserte Mundöffnung im Vergleich zu Placebo). Darüber hinaus gibt es Untersuchungen an Sportlern, die nahelegen, dass eine Enzymeinnahme vor und nach intensiver Belastung die Erholungszeit verbessert: In einer Studie an aktiven Erwachsenen führte systemische Enzymgabe um anstrengendes Training herum zu einer schnelleren Kraftregeneration und vorteilhaften Veränderungen von Entzündungs- und Immunmarkern im Blut. Die Gesamtzahl an hochwertigen Studien im Bereich Sportverletzungen ist zwar begrenzt, doch die vorhandenen Daten und die jahrzehntelange Anwendung in der Praxis sprechen für einen Nutzen der Enzymtherapie zur Beschleunigung der Heilung nach Traumata und Operationen.
Immunsystem und Infektionen: Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Modulation des Immunsystems bei wiederkehrenden Infektionen (z.B. Nasennebenhöhlenentzündungen, Bronchitis, Blasenentzündung) oder bei Autoimmunerkrankungen. Hier beruht der Einsatz jedoch mehr auf empirischen Berichten als auf gesicherter Evidenz. Beobachtungsstudien und Erfahrungsheilkunde deuten zwar an, dass Enzyme die Abwehr unterstützen können (z.B. durch Abbau von Schleim und Entzündungsprodukten bei Sinusitis), aber kontrollierte klinische Daten fehlen weitgehend. Insbesondere für chronisch-entzündliche oder autoimmune Erkrankungen (wie z.B. Multiple Sklerose, chronische Polyarthritis abseits der Schmerzbehandlung) sowie virale Infekte konnte in wissenschaftlichen Studien bislang kein eindeutiger Nutzen belegt werden. Trotz der eingeschränkten Datenlage greifen manche Therapeuten auf Enzyme als Immunmodulatoren zurück, in der Hoffnung, das Gleichgewicht des Immunsystems zu verbessern. Hier ist jedoch anzumerken, dass solide Studien erforderlich sind, um solche Anwendungen zu untermauern. Bisherige Laborbefunde zeigen immunologische Wirkungen (z.B. veränderte Zytokinproduktion) bei gesunden Probanden, doch ein klarer klinischer Wirkeffekt bei Infektanfälligkeit ist wissenschaftlich noch nicht bewiesen.
Onkologie (Krebstherapie): Die systemische Enzymtherapie wird auch als begleitende Maßnahme in der Krebstherapie diskutiert. Befürworter führen an, dass Enzympräparate die Verträglichkeit von Chemo- und Strahlentherapie verbessern und das Immunsystem der Patienten stärken können. Tatsächlich legen einige ältere Studien nahe, dass Enzymkombinationen Nebenwirkungen wie Mundschleimhautentzündungen (Mukositis) oder Abgeschlagenheit unter Bestrahlung reduzieren könnten. In bestimmten Tumorarten (z.B. einigen Karzinomen) wurde in unkontrollierten Untersuchungen sogar eine verlängerte Überlebenszeit bei Patienten unter Enzymzusatz berichtet. Allerdings ist die Datenlage hier widersprüchlich: Neuere, methodisch hochwertige Studien konnten viele der frühen positiven Ergebnisse nicht bestätigen. So fand eine randomisierte Studie bei Patienten mit inoperablem Bauchspeicheldrüsenkrebs keinen Vorteil durch eine Enzymtherapie – im Gegenteil, die so behandelten Patienten hatten eine geringere Überlebenszeit und schlechtere Lebensqualität als jene unter Standard-Chemotherapie. Auch eine Untersuchung zur Vorbeugung von Schleimhautentzündungen während einer Krebsbehandlung zeigte keinen signifikanten Effekt der Enzyme. Einige Meta-Analysen deuten an, dass Enzyme eventuell akute Hautreaktionen unter Strahlentherapie vermindern könnten, doch diese Hinweise sind noch nicht eindeutig und bedürfen weiterer Bestätigung. Insgesamt gilt der Einsatz von Enzympräparaten in der Onkologie als umstritten – es fehlen ausreichend robuste klinische Belege, und die vorhandenen Ergebnisse sind uneinheitlich. Experten fordern, dass behauptete Vorteile (wie ein schnelleres Immun-Recovery oder weniger Nebenwirkungen) durch gut designte Studien untermauert werden müssten, von denen es bisher nur sehr wenige gibt.
Fazit: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirksamkeit der systemischen Enzymtherapie variieren je nach Anwendungsgebiet. Am besten untermauert ist der Nutzen bei entzündlichen Schmerzzuständen des Bewegungsapparates (Arthrosen, Sportverletzungen etc.), wo Studien sowohl klinische Verbesserungen als auch eine gute Verträglichkeit zeigen. Bei anderen Indikationen wie chronischen Infektionen oder Immunmodulation ist die Evidenzlage dünn und weitere Forschung nötig. In der Wundheilung (postoperativ) gibt es positive Hinweise auf schnellere Erholung. In der Krebsnachsorge ist die Enzymtherapie noch nicht überzeugend belegt und sollte – wenn überhaupt – nur unterstützend und in Absprache mit Ärzten erfolgen, da hier widersprüchliche Ergebnisse vorliegen. Insgesamt gilt die systemische Enzymtherapie als vielversprechende ergänzende Maßnahme, ersetzt aber nicht bewährte Standardtherapien, sofern diese erforderlich sind.
Aufgrund ihrer entzündungsmodulierenden und heilungsfördernden Eigenschaften wird die systemische Enzymtherapie in verschiedenen medizinischen Bereichen eingesetzt. Wichtige Anwendungsgebiete sind unter anderem:
Entzündliche Erkrankungen des Bewegungsapparats: Dazu zählen arthritische und rheumatische Beschwerden wie Arthrose (insbesondere aktivierte Arthrose mit Entzündungsschüben), Rückenschmerzen durch Bandscheibenverschleiß, Sehnenentzündungen und Weichteilrheuma. Enzympräparate werden hier zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung eingesetzt – etwa als magenschonende Alternative zu NSAR. Studien bei Kniearthrose zeigen eine vergleichbare Wirksamkeit von Enzymkombinationen gegenüber Diclofenac in Bezug auf Schmerzreduktion und Gelenkfunktion. Viele Patienten mit chronischen Gelenkschmerzen berichten von weniger Schwellung und Morgensteifigkeit unter Enzymtherapie.
Verletzungen, Trauma und Sportmedizin: In der Sporttraumatologie haben Enzyme einen festen Platz bei der Behandlung von Prellungen, Verstauchungen, Zerrungen und Muskelkater. Sie werden eingesetzt, um Schwellungen schneller abklingen zu lassen, Blutergüsse aufzulösen und damit Schmerzen zu reduzieren. Durch den proteolytischen Abbau von Ödemen und Hämatomen wird die Heilungszeit verkürzt. Sportler setzen Enzyme auch ein, um nach intensiver Belastung die Regeneration zu unterstützen. Beispielsweise kann Bromelain nach einer Verletzung oder Operation die üblichen Schwellungszustände effektiv lindern – vergleichbar einer Eiskühlung oder entzündungshemmenden Medikamenten, jedoch ohne sedierende oder gastrointestinale Nebenwirkungen. In diesem Bereich gilt die Enzymtherapie als Begleitmaßnahme, die physikalische Therapie (Kühlen, Ruhigstellen) und ggf. klassische Medikamente ergänzt, um eine raschere Wiederherstellung der vollen Funktion zu erreichen.
Unterstützung des Immunsystems bei Infekten: Einige Therapeuten setzen systemische Enzyme auch bei wiederkehrenden Infektionen ein – etwa chronische Sinusitis (Nasennebenhöhlenentzündung), Bronchitis oder immer wiederkehrende Blasenentzündungen. Die Idee dahinter ist, dass Enzyme schleimiges Sekret und Gewebstrümmer abbauen und so Entzündungsherde schneller bereinigen. Zudem sollen sie das Immunsystem modulieren und z.B. bei Virusinfektionen (wie grippalen Infekten oder Hepatitis) unterstützend wirken. Allerdings ist zu betonen, dass für diese Anwendungen kaum belastbare Studien existieren. In der Praxis berichten manche Patienten von einem besseren Allgemeinbefinden und selteneren Infekten unter längerfristiger Enzymtherapie, doch fehlen randomisierte Studien, welche dies eindeutig bestätigen. Daher werden Enzyme in diesem Bereich meist additiv genutzt (z.B. zusammen mit Antibiotika oder anderen Behandlungen), nicht als Ersatz.
Wundheilung und postoperative Genesung: Enzyme werden häufig eingesetzt, um die Heilung nach Operationen oder Verletzungen zu fördern. Typische Einsatzgebiete sind die Nachbehandlung chirurgischer Eingriffe, etwa in der Zahnchirurgie (z.B. nach Weisheitszahn-OPs), der Orthopädie (nach Gelenkoperationen) oder auch in der Allgemeinchirurgie (nach Bauchoperationen). Durch die abschwellende und entzündungsauflösende Wirkung tragen Enzyme dazu bei, dass Operationswunden schneller entstauen und weniger schmerzen. Patienten berichten z.B., dass sie nach Operationen mit begleitender Enzymgabe früher mobil sind und weniger Schmerzmittel benötigen. In Studien konnte gezeigt werden, dass Enzympräparate Schwellungszustände nach Zahnextraktionen signifikant reduzieren und die Funktion (z.B. Mundöffnung) schneller normalisieren. Auch bei Sportverletzungen kann man die Wundheilung (Mikrorisse in Muskeln, Bänderzerrungen etc.) durch Enzyme unterstützen, weshalb Sportmediziner sie oft im Rehabilitationsprozess verwenden. Insgesamt gelten proteolytische Enzyme als Wundheilungsbeschleuniger, die jedoch immer im Rahmen eines Gesamtkonzepts (ausreichende Ruhigstellung, Physiotherapie, etc.) gesehen werden sollten.
Venenleiden und Entzündungen im Gefäßsystem: Ein spezielles Anwendungsgebiet ist die Therapie von Venenentzündungen. Bei oberflächlichen Thrombophlebitiden (entzündeten Krampfader-Venen) werden Enzyme eingesetzt, um das Gerinnsel schneller abzubauen und die lokale Entzündung zu dämpfen. Patienten mit chronischer Venenschwäche (Krampfadern, "schwere Beine") berichten unter Enzymbehandlung über weniger Schwellneigung und Schmerz. Allerdings fehlen hier weitgehend belastbare Studien – Experten wie Prof. Curt Diehm weisen darauf hin, dass es „weltweit keine einzige positive Studie“ zur Wirksamkeit von Enzymen bei Venenerkrankungen gibt. Daher bleibt dieser Einsatzbereich umstritten, auch wenn empirisch einige Behandlungserfolge beschrieben wurden.
Onkologische Supportivtherapie: Manche onkologische Nachsorge-Konzepte beinhalten Enzyme, um Nebenwirkungen der Chemo- oder Strahlentherapie zu mildern und die Immunrekonstitution zu beschleunigen. So gibt es z.B. Ansätze, Enzyme bei strahleninduzierten Entzündungen der Blase oder Schleimhäute einzusetzen, oder zur Unterstützung der Krebstherapie bei Pankreas-, Darm- und Brustkrebs. Einige nicht-verblindete Studien und Fallserien schienen Vorteile zu zeigen (weniger Infekte unter Chemotherapie, geringere Schleimhautulzera etc.), doch wie oben beschrieben ist die Datenlage nicht eindeutig. Daher werden Enzyme in der Onkologie – wenn überhaupt – nur individuell als Ergänzung und in Abstimmung mit den Onkologen gegeben. Ihr routinemäßiger Einsatz bei Krebs ist nicht etabliert, da es auch negative Studienergebnisse gab (z.B. bei Bauchspeicheldrüsenkrebs). Patienten sollten hier realistische Erwartungen haben und Enzyme nicht als Krebsheilmittel missverstehen, sondern höchstens als unterstützende Maßnahme zur Verbesserungen des Wohlbefindens betrachten.
Zusammenfassend wird die systemische Enzymtherapie vor allem dort angewendet, wo chronische oder akute Entzündungen eine zentrale Rolle spielen – sei es bei degenerativen Gelenkprozessen, Verletzungen, Infektionen oder entzündlichen Begleiterscheinungen anderer Krankheiten. Wichtig ist, dass die Entscheidung zur Enzymtherapie individuell erfolgt und oft als Ergänzung zu schulmedizinischen Maßnahmen. In einigen Indikationen (etwa Arthrose) gibt es gute Evidenz für die Wirksamkeit, in anderen Bereichen stützt sich der Einsatz eher auf klinische Erfahrung.
Vorteile
Multifaktorielle Wirkung: Systemische Enzyme bekämpfen nicht nur Symptome, sondern setzen am Entzündungsprozess selbst an. Sie fördern den Ursachen-heilenden Verlauf der Entzündung (Auflösung von Schwellung, Gewebstrümmern etc.), was zu einer umfassenderen Heilung führen kann. Patienten berichten daher oft von einer allgemeinen Verbesserung des Heilungsverlaufs, nicht nur von kurzfristiger Schmerzlinderung.
Gute Verträglichkeit: Ein großer Vorteil ist die meist gute Verträglichkeit. Enzympräparate verursachen deutlich weniger häufig schwerwiegende Nebenwirkungen als klassische Entzündungshemmer (wie NSAR). In direkten Vergleichen traten unter Enzymtherapie vergleichsweise selten unerwünschte Wirkungen auf – in einer Studie beispielsweise nur bei 7,2 % der Patienten unter Wobenzym vs. 15,6 % unter Diclofenac. Auch eine Analyse mehrerer Studien fand ein signifikant niedrigeres Risiko für Nebenwirkungen unter Enzymen im Vergleich zu Diclofenac. Insbesondere treten Magen-Darm-Schäden (Magengeschwüre, Blutungen), wie sie bei langdauernder NSAR-Einnahme gefürchtet sind, unter Enzympräparaten kaum auf. Dadurch eignen sie sich auch für eine längere Anwendung bei chronischen Beschwerden.
Breites Wirkspektrum: Die Kombination verschiedener Enzyme kann vielseitige Effekte erzielen – von Entzündungshemmung über Abschwellung bis zur Unterstützung der Immunabwehr. So wird nicht nur der Schmerz bekämpft, sondern zugleich die Heilung gefördert (z.B. durch schnelleres Entfernen von Gewebetrümmern) und die Funktion wiederhergestellt. Dieser ganzheitlichere Ansatz kann bei komplexen Beschwerdebildern vorteilhaft sein, wo multiple Prozesse eine Rolle spielen (etwa bei Sportverletzungen, die Schmerzen, Schwellung und eingeschränkte Mobilität zugleich verursachen).
Reduzierung von Medikamentenbedarf: Durch die entzündungshemmende Wirkung der Enzyme kann oft der Bedarf an anderen Medikamenten (Schmerzmittel, Kortison etc.) gesenkt werden. In Studien brauchten Patienten unter Enzymtherapie zum Teil weniger Rescue-Medikamente (Notfall-Schmerzmittel) als unter Placebo. Viele Ärzte sehen darin einen Vorteil, da somit die Gesamtdosis an Medikamenten (und damit potenzielle Nebenwirkungen) reduziert werden kann.
Natürliche Herkunft: Für Patienten, die eine "natürliche" Behandlung bevorzugen, sind Enzympräparate attraktiv, da die Wirkstoffe aus natürlichen Quellen stammen (Ananas, Papaya, tierische Enzyme). Dies bedeutet zwar nicht automatisch, dass sie harmlos sind, aber psychologisch empfinden viele Anwender die Therapie als “sanfter”. Enzyme wurden teils bereits in der traditionellen Medizin (z.B. in Form von Fermentpräparaten) eingesetzt, was ihre Akzeptanz erhöht.
Risiken und Nebenwirkungen
Gastrointestinale Beschwerden: Obwohl insgesamt gut verträglich, können Enzympräparate im Einzelfall Magen-Darm-Beschwerden verursachen. Gelegentlich treten Völlegefühl, Blähungen oder Veränderungen der Stuhlgewohnheiten auf. Seltener werden Übelkeit, Durchfall oder Bauchkrämpfe berichtet. Diese Symptome sind meist mild und vorübergehend. Das Risiko lässt sich verringern, indem man die Enzyme – wie empfohlen – auf nüchternen Magen (mind. 30 Min vor oder 90 Min nach dem Essen) mit reichlich Wasser einnimmt.
Allergische Reaktionen: Da es sich um Eiweißstoffe fremder Herkunft handelt, besteht ein gewisses Allergierisiko. Insbesondere Bromelain (Ananas) und Papain (Papaya) können bei entsprechend sensibilisierten Personen allergische Reaktionen auslösen. Es wurden in seltenen Fällen Hautausschlag, Juckreiz, asthmaähnliche Symptome oder auch allergische Schocks beobachtet. Wer gegen Ananas, Papaya oder einen der anderen Bestandteile bekannt allergisch ist, darf diese Präparate nicht einnehmen. Deshalb ist es wichtig, vor Therapiebeginn auf mögliche Allergien zu achten.
Erhöhte Blutungsneigung: Proteolytische Enzyme haben teils einen gerinnungshemmenden Effekt. Bromelain beispielsweise wirkt in Laborversuchen fibrinolytisch und kann die Blutgerinnung etwas verzögern. In Kombination mit blutverdünnenden Medikamenten (Antikoagulanzien wie Warfarin, oder Thrombozytenaggregationshemmern wie ASS) besteht daher das Risiko einer Verstärkung der blutverdünnenden Wirkung. Dies könnte zu unerwünschten Blutungen führen. Aus diesem Grund wird von einer gleichzeitigen Einnahme von Enzympräparaten und solchen Gerinnungshemmern abgeraten, bzw. sie sollte nur unter strenger ärztlicher Kontrolle erfolgen. Auch Patienten mit angeborenen oder erworbenen Blutgerinnungsstörungen (z.B. Hämophilie) tragen ein erhöhtes Risiko und sollten keine Enzymtherapie erhalten. Ebenso wird empfohlen, Enzympräparate einige Tage vor geplanten Operationen abzusetzen (üblich sind 3–5 Tage vorher), um das Blutungsrisiko während des Eingriffs nicht zu erhöhen.
Wechselwirkungen: Neben der genannten Interaktion mit Gerinnungshemmern könnten Enzympräparate theoretisch auch die Wirkung mancher Antibiotika beeinflussen. So gibt es Hinweise, dass Proteasen die Gewebegängigkeit von Antibiotika erhöhen können, was zwar positiv sein kann, aber auch die Spiegel unvorhersehbar beeinflusst. Auf der Wobenzym-Fachinformation wird erwähnt, dass bei gleichzeitiger Gabe bestimmter Antibiotika eine verstärkte Wirkung beobachtet wurde. Konkrete problematische Wechselwirkungen sind jedoch kaum dokumentiert. Trotzdem sollte ein Arzt über alle eingenommenen Medikamente informiert werden, um etwaige Interaktionen abzuschätzen.
Unsichere Wirksamkeit in einigen Bereichen: Ein eher indirektes „Risiko“ besteht darin, dass Patienten sich von der Enzymtherapie zu viel erwarten oder notwendige konventionelle Behandlungen verzögern. Da die Evidenz z.B. bei schweren Erkrankungen (wie Krebs oder schweren Infekten) nicht gesichert ist, wäre es riskant, ausschließlich auf Enzyme zu vertrauen. Kritiker der Enzymtherapie betonen, dass es für manche Anwendungsgebiete (z.B. Krebserkrankungen, Venenerkrankungen) an überzeugenden Studien mangelt. Patienten sollten daher Enzyme v.a. additiv einsetzen und weiterhin den Rat ihrer Ärzte für etablierte Therapien beherzigen, um keine Zeit zu verlieren.
Zusammengefasst gelten systemische Enzyme bei richtiger Anwendung als sicher und nebenwirkungsarm. Ernsthafte Nebenwirkungen sind sehr selten. Dennoch müssen – wie bei jedem Medikament – mögliche Risiken und individuelle Faktoren berücksichtigt werden, insbesondere Allergien und Gerinnungsstatus. Bei Unsicherheit sollte stets Rücksprache mit einem Arzt gehalten werden, da dieser Nutzen und Risiken im konkreten Fall abwägen kann.
Gewisse Personengruppen und Situationen schließen die Anwendung einer systemischen Enzymtherapie aus oder erfordern besondere Vorsicht. Zu den wichtigsten Kontraindikationen bzw. Einschränkungen zählen:
Allergien gegen Bestandteile: Patienten mit Überempfindlichkeit gegen eines der Enzyme oder Inhaltsstoffe (z.B. Ananas bei Bromelain, Papaya bei Papain, oder Lactose als Füllstoff) dürfen diese Präparate nicht anwenden. Allergische Reaktionen könnten schwerwiegend sein.
Kinder und Jugendliche: Enzympräparate wie Wobenzym sind in der Regel nicht für Kinder unter 18 Jahren zugelassen, da für diese Altersgruppe keine ausreichenden Studien zur Sicherheit vorliegen. Bei Jugendlichen oder Kindern sollten Enzyme nur in Ausnahmefällen und auf ärztliche Anweisung eingesetzt werden.
Schwangerschaft und Stillzeit: Während Schwangerschaft und Stillen wird von der Enzymtherapie abgeraten. Es liegen nicht genügend Daten vor, um die Unbedenklichkeit für das ungeborene Kind oder den Säugling zu garantieren. Daher gilt hier ein Ausschluss, es sei denn, der Arzt hält den Einsatz im Einzelfall für unbedingt erforderlich.
Gerinnungsstörungen: Patienten mit angeborenen oder erworbenen Blutgerinnungsstörungen (wie Hämophilie, schwerer von-Willebrand-Jürgens-Syndrom oder Thrombozytopenie) sollten keine systemischen Enzyme erhalten. Die blutverdünnende Wirkung könnte in solchen Fällen unkontrollierbare Blutungen begünstigen.
Schwere Organinsuffizienzen: Bei schweren Leber- und/oder Nierenschäden ist die Enzymtherapie kontraindiziert. Hintergrund ist, dass bei schwerer Leberinsuffizienz das Abbau- und Regulationssystem (inklusive α-2-Makroglobulin und Immunkomplex-Clearance) gestört ist und unerwartete Reaktionen auftreten könnten. Eine stark eingeschränkte Nierenfunktion könnte die Ausscheidung von Abbauprodukten behindern. In solchen Fällen liegen keine ausreichenden Erfahrungen vor, sodass zur Sicherheit auf die Therapie verzichtet wird.
Unmittelbar vor Operationen: In den Tagen vor einer geplanten größeren Operation sollte die Enzymtherapie pausiert werden. Wie erwähnt, empfiehlt man ca. 4 Tage vor dem Eingriff abzusetzen, um das Blutungsrisiko während der OP nicht zu erhöhen. Direkt postoperativ kann nach Einschätzung des Arztes wieder mit Enzymen begonnen werden, wenn keine Kontraindikation mehr besteht.
Gleichzeitige Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten: Patienten, die Antikoagulantien (Gerinnungshemmer) oder Thrombozytenhemmer einnehmen (z.B. Marcumar, NOAKs, Aspirin), sollten keine Enzyme ohne ärztliche Kontrolle einnehmen. Diese Kombination ist kontraindiziert bzw. nur mit strenger Überwachung zulässig, da das Blutungsrisiko erhöht ist.
Abschließend ist festzuhalten, dass die systemische Enzymtherapie – korrekt eingesetzt – ein wertvolles ergänzendes Therapieverfahren sein kann. Sie sollte jedoch stets individuell geprüft werden. Insbesondere bei den genannten Ausschlusskriterien ist Zurückhaltung geboten. Bei Unsicherheit oder Vorliegen von Grunderkrankungen sollte immer der Rat eines Arztes eingeholt werden, bevor mit der Enzymtherapie begonnen wird. So kann sichergestellt werden, dass die Vorteile dieser Behandlung ausgeschöpft werden, ohne vermeidbare Risiken einzugehen.